Auch der Hof Günther Nr. 17 gehört zu den Höfen, die jahrhundertelang bestanden haben und heute vergessen sind.


Der Hof lag westlich der Einmündung Bielefelder Straße/ In der Ecke umfasste die heutigen Gründ-stücke Bielefelder Str. 155 – 157 und In der Ecke 2 – 4. Von den Gebäuden des Hofes ist nur noch ein Kötterhaus aus dem Jahre 1828 erhalten (In der Ecke 2).

Auf dem Grundstück Bielefelder Str. 157 bestand bis 1970 noch die ehemalige Leibzucht des Hofes Günther. Sie trug die Hausinschrift:

ANNO MDCXIX MENSE JULIO HABEN ARENT UND HERMANN GÜNTER


DIESES HAUS LASSEN BAUEN. DER MERANDER REUTER……………….


1749 DER HERR BEHÜTE DEINEN AUSGANG UND EINGANG VON NUN


AN BIS IN EWIGKEIT.

Der nicht mehr lesbare Teil der Inschrift deutet darauf hin, dass das Gebäude während des Dreißig-jährigen Krieges (1618 – 1648) weitgehend zerstört und später wiederaufgebaut wurde.

Der Hof Günther wird im Landschatzregister von 1535 erstmals als eigenständiger Besitz aufgeführt. Seitdem fehlt der Hof in keinem Höfeverzeichnis der Bauerschaft Lieme.

Nach dem Salbuch von 1643 besaß der damalige Hofbesitzer Arent Günther

ein Wohnhaus von vier Sparren,


ein verfallenes Haus


und 5 Schfl Ackerland.

Die Familie Günther muss sehr einflussreich gewesen sein. Von 1622 bis 1730 versahen die Besitzer des Hofes das Amt des Untervogts des Amtes Brake. Namentlich bekannt sind

Henrich Günther 1622 – 1629


Deppe oder Günther 1632


Heinrich Günther 1635


Arendt Günther 1675 – 1698


Bernd Günther 1700 – 1706


Berend Günther oder Deppe 1711 – 1715


Johann Henrich Günther 1715 – 1730.

Die Untervögte erhielten für ihre Tätigkeit als Amtsgehilfen und Steuererheber einen geringen Anteil an den erhobenen Steuern und genossen eine begrenzte Abgabenfreiheit, weshalb die Günthers wäh-rend ihrer Amtszeit relativ wohlhabend gewesen sein müssen.


Aufgrund ihrer Tätigkeit als Untervögte wurden die Familienangehörigen von den Liemer Dorfbewohnern „Günther oder Vogt“ bezeichnet.

In den Jahren 1748/ 49 versuchte der damalige Besitzer des Hofes Günther gemeinsam mit einigen anderen Liemer Hofbesitzern – unter Missachtung des Ausschankmonopols des „Liemer Kruges“, auf seinem Hof einen Nebenkrug zu eröffnen. Auf Klage des Liemer Krügers Kuhfuß entschied das Reichsgericht in Wetzlar am 11.01.1749 jedoch, dass alle Nebenkrüge in Lieme geschlossen werden mussten.

In der zweiten Hälfte des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts betrieben Simon Henrich Günther und seine Söhne Conrad Diederich und Simon Ludwig das Zimmerhandwerk.


Noch heute gibt es in Lieme, Hagen, Hölsen, Retzen und Heiden einige Fachwerkhäuser, die von Ih-nen errichtet wurden.

Nach dem Tod des Vaters übernahm Simon Ludwig den väterlichen Hof, während Conrad Diederich die Zimmerei des Vaters fortführte. Um 1828 muss es dann zu einem Bruch zwischen den Brüdern gekommen sein, denn Conrad Diederich Günther zog damals vom Hof seines Bruders auf den Hof Brand Nr. 2, wo er seine Zimmerei weiter betrieb.

Im gleichen Jahr verkaufte Simon Ludwig Günther sein Waldgrundstück am Rhiener Strang an den Kornhändler Austmann aus Detmold, der es später als Bauplatz an Nolte-Kuhlmann verkaufte. Zur gleichen Zeit errichtete er auf seinem Hofgrundstück an der Straße „In der Ecke“ zwei Kötterhäuser, die er an Dreyer und Schäfer verkaufte (heute In der Ecke 2 – 4).

Ein weiteres Kötterhaus baute Günther auf seinem Garten im Driangel (heute Hangstein Nr. 1).

1848 teilte Günther seine Stätte und verkaufte seine Leibzucht mit rd. 8 Schfl Land an Heinrich Kem-per. So entstand der „Kemper-Hof“.

1928 verkaufte der damalige Besitzer Manhenke die Stätte an den Textilkaufmann Heinrich Dröge, der 1929 ein neues Wohnhaus darauf errichtete.

Nach dem Tod Simon Ludwig Günthers im Jahre 1854 verkauften seine Erben das Restgrundstück der Stätte Nr. 17 an den Kaufmann Krecke und die restliche Länderei an Droste Nr. 10 zu Lieme. Danach wechselte die Stätte ihre Besitzer in schneller Folge:

Bäcker Friedrich Remmert, Detmold


Bäcker August Coppei, Mosebeck


Bäcker Ernst Steinmeier, Lieme

Ernst Steinmeier, der das Haus mit Kolonialwarengeschäft und Bäckerei 1866 erwarb, betrieb ab 1871 für einige Jahre auch eine kleine Gastwirtschaft in dem Haus. Außerdem verwaltete er bis 1893 die Postannahmestelle in Lieme.

1922 kaufte dann der langjährige Pächter Wilhelm Doht den Besitz.

Der Name Günther ist lange vergessen, die Nachkommen der Familie sind nicht mehr in Lieme ansässig.

(Quelle: F. Starke – „Lieme – Eine Dorfgeschichte in Einzeldarstellungen“)