Die Bauerrichter von Lieme können in der Zeit von 1595 bis zum Ende des 1. Weltkriegs nachgewiesen werden.


Sie standen in engem Zusammenhang mit den Gogerichten, die gemeinsam mit den Freigerichten die niedere Gerichtsbarkeit ausübten.

In Lippe bestanden 16 Gogerichte. Die jeweiligen Gogerichtsherren übertrugen die Rechtsprechung einem Gorichter ihrer Wahl und verpfändeten die Einnahmen der Gogerichte vielfach zur Deckung ihres Finanz- und Kreditbedarfs an Dritte.

Die Bauerschaft Lieme gehörte zum Bezirk des Gogerichts St. Johann, Lemgo. Hilfsorgane dieses Gerichts waren die Amtsstube und eben die örtlichen Bauerrichter, welche als Unterbeamte des Amtes zu Treue und Gehorsam verpflichtet waren.


Folgende Aufgaben waren ihnen zugewiesen:

Ankläger beim Gogericht


Aufsicht über Flurschützen und Nachtwächter


Erhebung von Steuern


Vollziehung von Pfändungen


Vormundschafsangelegenheiten


Militärangelegenheiten


Feuerpolizei


Aufsicht über die verbotenen Spiele.

Der Bauerrichter war verpflichtet, alle ihm bekannt gewordenen Verstöße vor Gericht zu bringen und die verhängten Geldstrafen einzutreiben, wofür ihm ein Drittel der eingegangenen Strafgelder zustand. Außerdem hatte er dafür zu sorgen, dass alle Dienstverpflichtungen eingehalten und die Abgaben zum festgesetzten Termin geleistet wurden.

Das Arbeitsfeld des Bauerrichters umfasste richterliche, ortspolizeiliche und Verwaltungsaufgaben. Eine Trennung zwischen rechtsprechender und vollziehender Gewalt, kannte man damals noch nicht.

Die Besetzung der Stelle des Bauerrichters erfolgte auf Vorschlag des zuständigen Amtes durch die Domänenkammer in Detmold. Oftmals wurde die Stelle vom Vater auf den Sohn übertragen, wobei der Sohn dem Vater dann zunächst einige Jahre als Gehilfe diente, bis er schließlich die Stelle besetzte.


Vor dem Dienstantritt hatte der Bauerrichter eine Kaution zu hinterlegen, die bei Verfehlung des Amtsinhabers sofort verfiel.

Wenn die Bewerber um die Stelle des Bauerrichters dem Amt unbekannt waren, mussten sie eine kleine schriftliche Prüfung ablegen. So wie im Jahr 1833 als der Bauerrichter Christoph Breitenpöhler wegen Dienstvernachlässigung des Amtes enthoben wurde.


Um die freigewordene Stelle bewarben sich damals der Vorsteher Althoff Nr. 13 sowie die Kolonen Droste Nr. 10 und Dröge Nr. 30. Droste und Dröge waren dem Amt nicht bekannt und mussten die Prüfung ablegen.

In dem darüber geführten Protokoll vom 30.10.1833 heißt es unter anderem:

>>… so ergeben die im Protokoll anliegenden Proben, dass beide eine leidlich leserliche Hand schreiben, notdürftig rechnen und ebenso notdürftig verständlich ihre Gedanken schriftlich ausdrücken können. … im Rechnen und im Schreiben war der Dröge rascher als der Droste …>>.

Der Amtmann der Domänenkammer in Detmold schlug daher vor, den Kolon Jost Dröge zum Bauerrichter in Lieme zu ernennen und die Kammer folgte dieser Empfehlung.

Mit der Neuordnung des Gerichtswesens in den Jahren 1877 – 1879 verloren die Bauerrichter ihre Aufgabe als Ankläger und Gerichtsdiener und fungierten nur noch als Steuererheber.

Die Sitzungen des Gogerichts fanden einmal im Herbst für die Zeit von Ostern bis zum Michaelistag am 29.09. und einmal im Frühjahr für die Zeit vom Michaelistag bis Ostern statt.

Diese Sitzungen begannen mit den Berichten der Bauerrichter über die alten Klagen und nicht erledigte Strafen. Danach trugen sie die neuen Klagen vor, die dann vom Gerichtskommissar in der Regel sofort entschieden wurden.


Darauf folgte der sogenannte >>Offene Gerichtstag>>, in dem die Bewohner ihre Privatklagen vortragen und entscheiden lassen konnten. Diese Klagen betrafen meist Beleidigungen, Diebereien, Flurschäden oder Körperverletzungen.


Zum Schluss folgten dann die Festsetzungen von Abgaben, Weinkauf und Sterbefällen, die sich aus der grundherrlichen Abhängigkeit, der Leibeigenschaft oder der Leibesfreiheit ergaben und dem Landesherrn zuflossen.

Abschließend mal eine Aufstellung der Bauerrichter der Bauerschaft Lieme, soweit vorhanden:

1595 – 1615 Nolte Menke


1622 – 1629 Diederich Kuhlmann


1629 – 1630 Cordt Immeker


1630 – Kuhlmann


1639 – Hermann Menke


1647 – 1655 Ludolph Krüger


1656 – 1659 Curdt Menke


1660 – 1666 Hermann Redeker


1686 – 1689 Johann Diedrich Menke


1690 – 1700 Bernd Deppe


1703 – 1713 Bernd Deppe oder Günther Deppe


1728 – Deppe


1731 – 1741 Johann Bernd Deppe


1742 – 1753 Johann Hermann Deppe


1753 – 1762 Johann Jobst Deppe


1763 – 1772 Johann Hermann Deppe


1773 – 1801 Hanß Bartholdt Kuhlmann


1801 – 1803 Hermann Henrich Althoff


1804 – 1827 Christoph Breitenpöhler sen.


1828 – 1833 Christoph Breitenpöhler jun.


1833 – 1863 Jost Dröge


1864 – 1878 Dröge


1879 – 1882 Fritz Dröge

1883 wurde das Amt des Bauerrichters an Herrn H. Niehage aus Entrup übergeben. Ihm folgte später H. Brakhage, ebenfalls aus Entrup. Sie waren nur noch Steuererheber ohne juristische Funktion.

(Quelle: F. Starke – „Lieme – Eine Dorfgeschichte in Einzeldarstellungen“)