„Da schon seit einiger Zeit der Kriegergesangverein sein Wirken eingestellt hat, wurde im hiesigen Orte von mehreren Seiten angeregt, einen von jedem anderen Verein unabhängigen Gesangverein zu gründen. Zu diesem Zweck wurde auf heute abend im Lokale bei Herrn H. A. Steinmeyer hierselbst eine Versammlung anberaumt, die dann auch gut besucht war und in der erfreulicherweise alle Anwesenden ihren Beitritt zu dem neu zu gründenden Verein erklärten, so dass die Gründung des Vereins mit der Zahl von 37 Mitgliedern erfolgen konnte.“

Mit diesen Worten werden im ersten Protokoll die Beweggründe für die Bildung des neuen, unabhängigen und eigenständigen Männergesangvereins Lieme am 12. Dezember 1908 festgehalten.

Durch die vielseitige Auswahl seines Liedgutes war der neue Gesangverein bemüht, sich durch politische Neutralität vom Kriegergesangverein abzuheben.Den Vorsitz übernahm Schneidermeister Fritz Rieke. Dienstag- und Freitagabend jeder Woche wurden als Übungsabende festgesetzt. Bei Eintritt in den Verein musste ein Eintrittsgeld von einer Mark gezahlt werden. Die Zahl der aktiven Mitglieder stieg sehr bald auf 42 an.

Viele der ländlichen Gesangvereine in Lippe wurden damals unter maßgeblicher Mitwirkung von Lehrern, Pastoren oder Küstern gegründet. Das war auch beim MGV Lieme der Fall. Initiator dieser Neugründung war der Liemer Nebenlehrer Rudolf Horstbrink, der auch die Chorleitung übernahm und die Vereinssatzujg verfasste.

In der zweiten Versammlung am 09.01.1909 wurde der Vereinsname Männergesangverein „Harmonie“ Lieme gewählt.

Die Versammlung setzte den Monatsbeitrag auf 25 Pfennig fest und beschloss, die amtliche Registrierung des neuen Vereins beim fürstlichen Verwaltungsamt Brake vornehmen zu lassen.

Die Chorleiterfrage war für die „Harmonie“ in den ersten Jahren ein großes Problem, da die Dirigenten ausnahmslos Nebenlehrer der Volksschule Lieme waren, die nach lippischer Praxis alle zwei Jahre an einen anderen Dienstort versetzt wurden. Der Mitbegründer und erste Chorleiter des MGV Lieme, Horstbrink, musste sein Amt schon im Frühjahr 1909 wieder aufgeben, da er als Lehrer von Lieme nach Schuckenbaum versetzt wurde. Sein Nachfolger, Karl Welle, welcher ebenfalls Nebenlehrer an der Volksschule Lieme war, leitete den Chor bis 1911. Ihm folgte Fritz Siek, der den Chor, unterbrochen durch Kriegsdienst und Gefangenschaft (1914 – 1920), bis zum Jahre 1927 leitete.

Einen zweiten Gesangverein unter dem Namen „Musikverein Lieme“ gründeten am 27.01.1910 einige Mitglieder des einstigen Kriegergesangverein Lieme. In der Anmeldung des Vereins beim Verwaltungsamt Brake heisst es über die Zielsetzung der Neugründung: „Politische Ziele hat und verfolgt der Verein nicht, doch wird der Verein bei patriotischen Festen und sonstigen kleinen, passenden Gelegenheiten auch an die Öffentlichkeit treten.“ Die Ziele der Vereinigung waren demzufolge nahezu identisch mit denen des ehemaligen Kriegergesangvereins. Der Erfolg blieb jedoch aus, da die Zeit der „patriotischen Gesänge“ in Lieme offensichtlich vorbei war.

Der Übungsbetrieb des MGV Lieme musste kurze Zeit nach der Mobilmachung am 01.08.1914 wieder eingestellt werden, da der Chorleiter Fritz Siek und viele der Sänger zum Kriegsdienst eingezogen wurden und die Zahl der aktiven Mitglieder damit auf 16 sank.

In der Jahreshauptversammlung am 18.02.1915 beschlossen die anwesenden Mitglieder dann, dass für die Dauer des Krieges keine Vorstandswahlen mehr stattfinden sollten. Zu der Zeit hat wahrscheinlich niemand damit gerechnet, dass das Vereinsleben aufgrund dessen für fast fünf Jahre völlig zum Erliegen kam.

(Quelle: F. Starke – „Lieme – Eine Dorfgeschichte in Einzeldarstellungen“)